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4. Europäische Radsportwoche, Rundstreckenrennen in Ebstorf, 17.09.2011
  Nach meiner erfolgreichen Teilnahme an den Cyclassics, war mir nicht so ganz klar, was die Platzierung wert ist.
Nachdem ich schon gelegentlich darüber nachgedacht hatte, an einem Jedermannrennen teilzunehmen, suchte ich die nächsten Termine und entdeckte die Veranstaltung in Ebstorf. Also: angemeldet und Startgeld überwiesen.
Dann die ersten Zweifel: Wer fährt da wohl mit? Sind das alles alte Rennfahrer? Hab ich ´ne Chance mitzufahren?
Zu mindestens die Frauen und die S4 (=Ü60) werden mich wohl nicht stehen lassen.
Also, entsprechend ernsthaft vorbereiten: Am Freitag beim Kegelabend nur ein Bier; Samstagmittag die Reifen aufgepumpt; einmal mit dem Lappen über das Rad und ab nach Ebstorf.
Rennstart 15.40h. Der Kurs sieht erst mal harmlos aus. 22 Runden je ein Kilometer sind in meiner Klasse ausgeschrieben. Keine großen Höhenunterschiede in der Runde, aber die Kurven im dreieckigen Stadtkurs könnten heikel werden. Also starte ich ab 15.15h eine Runde zum warmmachen. Dabei lern' ich gleich einen Konkurrenten kennen. Anscheinend will er mich gleich mal testen und zieht einen Sprint an. …Lass ihn mal. Für mich ist erst mal wichtiger, die Kurven kennenzulernen. Die erste Kurve gleich nach dem Start, eine Spitzkurve links, zwischen Hausecke und Kantstein - ganz schön eng.
Die zweite Kurve, links leicht bergab, durch eine Hecke verdeckt und damit nicht richtig einsehbar rechts ein Gullydeckel - muss man sich wohl dran gewöhnen.
Die dritte Kurve, eine echte Haarnadelkurve mit anschließendem leichten Anstieg Richtung Start/Ziel.
Wie wir da in der Gruppe heil durchkommen bleibt abzuwarten.
Zum warmmachen noch eine Runde durch den Ort und dann zurück zum Start. Oh, die anderen sind schon alle da, da geht die Pumpe doch schon mal schneller.
Vorher gibt's aber noch eine Cheerleader-Vorstellung, ein junger Mann und vier hübsche Mädels. Mich interessieren momentan aber eher die anderen ca.15 Teilnehmer und ihre Räder: Da dominiert doch Hightech, Carbon ist angesagt. Dann macht die Runde, dass die Weltmeisterin der Damen-Seniorinnen mit dabei ist. Die Kollegen sind beeindruckt, - und ich erst! Wo bin ich hier gelandet? Hätte ich doch die Freigabe von meiner Finanzministerin schon umgesetzt und auch einen neuen Renner! Jetzt muss ich mit dem Gewichtsnachteil von meinem alten Esel leben, aber die 2 Kilo, die der mehr hat, hab ich seit dem Winter immerhin abgenommen. Den Rest müssten die Beine machen, aber die sehen bei den anderen auch nicht schlapp aus. - Was mich aufmuntert: ich bin nicht der einzige Über-Fünfzigjährige mit aufgeschlagenen Knien.
Dann der Start: Zehn, neun, acht, …drei, zwei, eins, Peng! - Los geht's! Nur nicht gleich den Anschluss verlieren. Erste Kurve, - alles gut gegangen, aber wieso sind da gleich zehn von den sechzehn Leuten vor mir? Runter zur zweiten Kurve, vorsichtig und durch. Antreten und gleich wieder anbremsen zur Haarnadelkurve, und der nächste Antritt die Zielgerade hoch. Erste Runde beendet im Mittelfeld, die Spitze ist noch im Blick, ich merk aber schon meine Beine von den Sprints nach den Kurven. Mein Puls liegt bei ca. 170, das halt ich normalerweise nicht 22 Runden aus. Dann die Erkenntnis: das sind 66 Sprints! Nach ca. fünf Runden kann ich nicht mehr, die Weltmeisterin ist weg, und wir haben schon ein paar Leute überrundet. Erste Gedanken an Aufgabe; aber vorher geb ich alles und bleib dran! Ich muss ja nicht unbedingt an die Spitze. Der ein oder andere versucht wegzugehen - anscheinend ist das Feld aber so ausgeglichen, dass jeder Versuch im Ansatz eingefangen wird. Dann, nach der Hälfte des Rennens, merk ich: die anderen können auch nicht mehr viel schneller als ich. Um nicht als "Lutscher" zu gelten, muss ich mich wohl auch mal vorne sehen lassen. Zehn Runden vor Ende geh' ich als erster über die Ziellinie. Gar kein schlechtes Gefühl; … wenn doch jetzt Schluss wäre. Nach anderthalb Runden lieber wieder zurück in's Feld. Jetzt muss ich auch aufpassen, bei nachlassender Kondition in den engen Kurven konzentriert zu bleiben; gottseidank bleibt es trocken. Einmal hab ich schon zu früh den Antritt gestartet und bin mit dem linken Pedal aufgesetzt.
Drei Runden vor Schluss bin ich plötzlich wieder vorn, anscheinend belauern sich die anderen gegenseitig. Jetzt mit Tempo durch die Kurven und ich habe einen kleinen Abstand zum Nächsten. Noch einmal als erster über die Ziellinie, aber dann lass ich lieber nach - von vorne zum Zielsprint, da kann ich doch nur blöd aussehen. Meine Idee ist, so zwei drei Leute vorbei zu lassen - aber -sssst, die anderen sind ja auch nicht doof, und ich bin Siebter. Also noch mal durchatmen und auf den Zielsprint vorbereiten. Das letzte Mal durch die Haarnadelkurve und los geht's. Der Kollege vor mir zieht mich die ersten Meter mit hoch - ich kann an ihm vorbei - jetzt bin ich an vierter Stelle - ich kann nicht mehr - die Lunge brennt - die Oberschenkel schmerzen - drei Leute sind vorne weg - hoffentlich kommt nicht noch einer vorbei - Ziellinie - Platz vier! - Vorsicht, die Kurve! - bremsen - durchatmen - ausrollen - geil! Mein erstes "richtiges Rennen", aber wohl nicht das letzte.
Thorsten: für die nächste Saison nimm mich mal mit auf die Liste der Jedermann-Kandidaten, wenn ihr auf Tour geht.

Rolf Eggers
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